PROJEKTABLAUF
Wie entsteht ein Illustrationsprojekt?

Das Design-Studium, egal ob der Schwerpunkt auf Produkt-, Kommunikations-, Mediendesign oder Illustration liegt, ist sehr praxisorientiert. Abläufe und Arbeitsweise entsprechen im Wesentlichem dem, was später »auf dem freien Markt«, auf die Nachwuchsdesigner wartet. Darum machen sog. »Projektkurse« einen großen Teil der Studienzeit aus.
Für den Schwerpunkt Illustration bedeutet dies, ein Semester lang z.B. ein Bilderbuch, Zeitschriftenillustrationen (Editorial-Illustrationen) oder zu einem bestimmten Sachthema eine Broschüre, mediale Anwendung oder Ausstellungsstation zu entwerfen und umzusetzen.
Da diese Projektkurse manchmal in Kooperation mit Partnern, z.B. aus Wirtschaft oder Kultur, ausgerichtet werden, werden aus Illustrationsstudenten schon jetzt »richtige« Illustratoren: Auch im Rahmen des Seminars, also auf verhältnismäßig sicherem Testfeld, entsprechen die Arbeitsschritte dem, was auch die spätere Projektarbeit als freier Illustrator beinhaltet.

 

BRIEFING
BriefingWie alle Designer schaffen auch die meisten Illustratoren keine »freie Kunst« sondern arbeiten an Aufträgen oder suchen gestalterisch nach Problemlösungen, die an sie herangetragen werden. Das bedeutet: Es gibt meist einen Auftraggeber und/oder eine konkrete Verwendungsabsicht, mit der ein bestimmtes Publikum oder eine Rezipientengruppe verbunden ist. Die Interessen dieser Instanzen spielen bei der Entwicklung eines Illustrationsprojekts von Anfang an eine wichtige Rolle und müssen vom Illustrator berücksichtigt oder mit seinen eigenen, im Extremfall abweichenden, Interessen und Vorstellungen durch intelligente Lösungen oder Überzeugungsarbeit in Einklang gebracht werden.
Das ist bei der Projektarbeit im Seminar nicht anders: Zu Beginn des Semesters gibt es für alle Teilnehmer ein Briefing, eine Einweisung, bei der ein Kooperationspartner z.B. aus Wirtschaft oder Kultur ein reales Projekt und dessen genaue Vorgaben vorstellt, und auch auf Punkte wie die Zielgruppe und die eigene Philosophie eingeht. Bei reinen Studienprojekten übernimmt der Dozent diese Rolle.

 

THEMENWAHL
Themenwahl
Besteht ein konkreter Auftrag ist das Thema des Projekts meist von vornherein klar. Arbeitet man aber freier, etwa für den Kinderbuchmarkt, ist dieser Punkt – die Themenwahl – der vielleicht schwierigste. Besonders wichtig: Der Illustrator muss sich in unbekannte Themenfelder hineinarbeiten und selbst für sein Thema begeistern können – wie sonst kann es ihm gelingen, auch andere dafür zu interessieren? Danach ist eine thematische Eingrenzung und Schwerpunktsetzung elementar, damit man später sein Ziel nicht aus den Augen verliert, sich in Details verrennt oder abschweift. Ein Exposé oder die Formulierung eines Leitgedanken können hilfreich sein.
Während des Projektverlaufs kann man so immer gegenprüfen, ob dieser Unterpunkt oder jenes Bild tatsächlich dem Zweck dient, den Schwerpunkt oder die Hauptaussage zu unterstützen, oder im Gegenteil eher ablenkt und weggelassen werden sollte.

 

RECHERCHE
Recherche
Eine Recherche zum Thema ist bei wissenschaftlichen Illustrationsprojekten absolut unerlässlich, da hier eine sachlich richtige Darstellung der Inhalte Voraussetzung ist. Aber auch für Illustrationen im Kinderbuch- oder Editorial-Bereich ist sie wichtig. Man prüft, welche Informationen und Meinungen es zu einem Thema gibt, um selbst auf dem Laufenden zu sein und sich auf dessen Grundlage eine eigene Meinung bilden zu können. Gerade in Zeitschriften und Büchern sind Illustrationen kein schmückendes Beiwerk oder bloße Abbildung des Textes, sondern haben eine kommentierende Funktion und schaffen einen Mehrwert zum Text. Es ist daher wichtig zunächst selbst zu wissen, welche Haltung man einnehmen, worauf man hinweisen, was man vermitteln oder welche Geschichte man dem Betrachter erzählen möchte.
Bei den bequemen Möglichkeiten der modernen Medien liegt eine Internetrecherche zunächst nahe und schafft einen guten ersten Überblick. Besonders für wissenschaftliche, aber auch für alle anderen Projekte, ist eine anschließende Recherche in der Fachliteratur der Bücherei aber die verlässlichere Informationsquelle.

 

ENTWURF
Entwurf
Wenn Rezipientengruppe und Vermittlungsziel fest stehen, stellt sich (wenn nicht vorgegeben) die Frage nach der Publikationsform des fertigen Projekts: Broschüre, Aufstelltafeln, Animationsfilme, Spiele, Applikationen für Smartphone oder Tablet-PC – die Möglichkeiten sind vielfältig.
In der Skizzen- und Entwurfsphase muss der Illustrator danach im Rahmen des gewählten Mediums klären, was genau dargestellt werden soll. Storyboards und Skizzen, die bei Studienprojekten im Kursplenum besprochen werden, helfen Perspektive, Bildaufteilung und Darstellungsweise anzulegen. Die vielen Meinungen und Verbesserungsvorschläge des „Testpublikums“ im Kurs sind dabei enorm hilfreich – auch bei selbstständigen Projekten empfiehlt es sich darum, sein Werk anderen Designern und Fachkundigen zu zeigen und sich deren ehrliche Meinung einzuholen. So kann der Betrachtungsfokus auf die wichtigen Bildelemente gelenkt und Unklarheiten ausgemerzt werden.

 

STILFINDUNG UND KONZEPTION
Stilfindung_Konzept
Neben der Entwicklung des Konzepts muss auch die »Stilfrage« geklärt werden: Welche Darstellungsweise ist im vorgegebenen Kontext und angesichts der angestrebten Zielgruppe angemessen? Welcher Stil hilft, eine bestimmte Atmosphäre zu erzeugen, eine Aussage zu unterstreichen oder einen Kontrast zu schaffen? Ein trockenes, wissenschaftliche Thema durch malerische Illustrationen zu erklären kann z.B., wenn es ohne unsachlich zu werden Interesse und Begeisterung hervorruft, viel besser geeignet sein, als ein zurückhaltender, nüchterner Stil.
Und welches Perspektive, welche Bildaufteilung und welche didaktischen Mittel sind sinnvoll? In welcher Reihenfolge werden die Informationen dargeboten? Gibt es interaktive Elemente?
Anhand solcher und ähnlicher Fragestellungen werden die Entwürfe in jeder Entwicklungsphase kritisch durchleuchtet und optimiert. Hierbei lohnt es sich seine Skizzen, technischen Experimente und Stilproben auf den Prüfstein zu bringen und sie im Kurs oder Kollegenkreis zu diskutieren.

 

(ZWISCHEN-)PRÄSENTATION
Zwischenpräsentation
An einem gewissen Punkt ist es die Aufgabe des Illustrators dem Auftraggeber sein Projekt zu präsentieren: Was hat er bereits erarbeitet? Wie sieht sein Konzept aus? Wie will er weiter vorgehen? Wie soll das fertige Projekt letztlich aussehen? Dabei ist wichtig, dass gestalterische und inhaltliche Erwägungen überzeugend begründet werden, um den Auftraggeber von dem Projekt zu überzeugen und ihn in die Lage zu versetzen, sich anhand von Probeseiten, aussagekräftigen Skizzen oder räumlichen Simulationen das fertige Projekt vorzustellen. So kann er beurteilen, ob alles seinen Vorstellungen und Anforderungen entspricht, und hat die Möglichkeit, Korrekturen oder Änderungen vorzugeben. Danach erhält der Illustrator die »Freigabe« und kann mit der eigentlichen Umsetzung des Projekts beginnen.

 

REINZEICHNUNG
Reinzeichnung
Jetzt folgt die Fleißarbeit: Der Illustrator fertigt die »Reinzeichnung« an, setzt also innerhalb eines gegebenen Zeitraums um, was er vorher geplant hat. Bei manchen Projekten geht dies schnell, wenn die Konzeption und das Skizzieren der schwierigere Teil der Arbeit war. Bei anderen Projekten, etwa technisch aufwendigen Illustrationen oder Animationen, die pro Sekunde aus bis zu 24 Einzelbildern bestehen, heißt es hingegen: durchhalten! Geduld und Fleiß sind nicht umsonst Illustratoren-Tugenden.

 

(ABSCHLUSS-)PRÄSENTATION
Abschlusspräsentation
Zu guter Letzt folgt eine Abschlusspräsentation, bei welcher der Illustrator dem Auftraggeber und/oder Dozenten des Kurses das fertige Projekt vorstellt. Bei Studienprojekten ist dies meist die Prüfung am Ende des Semesters. Eventuell kommen danach noch geringfügige Änderungswünsche auf den Illustrator zu, die er vor der Umsetzung des Projekts berücksichtigen muss.
Bei Studienprojekten zählt aber nicht nur das fertige Ergebnis, sondern auch der Entwicklungsprozess. Dieser wird in einer umfangreichen Dokumentation beschrieben und ist Teil der Prüfungsleistung.

 

REALISIERUNG
Realisierung
Im Besten Fall wird das Projekt am Schluss umgesetzt und veröffentlicht. Der Illustrator muss hierbei weiterhin für Rückfragen, technische Anpassungen und kurzfristig nötige Änderungen zur Verfügung stehen. Irgendwann jedoch ist die Arbeit getan: Das Werk geht in den Druck, wird von entsprechenden Experten programmiert (etwa bei einer interaktiven Anwendung) oder in Werkstätten gebaut – jetzt heißt es warten, bis man die Früchte der Arbeit ernten kann und sein Buch in Händen hält, seine Illustrationen im Magazin bewundert oder vor der von ihm gestalteten Ausstellungsstation im Museum steht.