Rhizom_01

Rhizom. Die erste Ausgabe. Aber was ist Rhizom? In erster Linie ein Magazin aus dem Fachbereich Design der FH Münster. Aber warum Rhizom? Der Titel ist Anforderung und Assoziation: Zitierbar, leicht auszusprechen, er gibt kein Programm vor und legt keine Linie fest. Dadurch kann er auch nicht zur Fessel werden.

Ein Rhizom ist der unterirdische Teil von Pflanzen, der den Winter überdauert und räumlich unberechenbar und regelmäßig in dem Maße wächst, in dem er hinten abstirbt. Das bedeutet permanente Verjüngung und Bewegung. Ein Rhizom kann an jeder Stelle unterbrochen oder zerrissen werden, es setzt sich an seinen eigenen oder an anderen Linien weiter fort. Es soll kein Modell, keine Organisation und kein Interesse ausgeschlossen werden. Ein Rhizom ist keine neue Organisationsform, sondern löst als subversives Element verhärtete Strukturen auf. Es sollen möglichst viele Verbindungen zwischen einzelnen Menschen und Organisationen geschaffen werden. Das alles ist ein Magazin. Das alles ist Rhizom. Wie anders könnte sich ein Hochschulmedium nennen?

Rhizom ist monothematisch. Nicht nur die letzte Diplomausstellung gibt Anlaß sich mit einem Thema zu beschäftigen: Heimat.

Wo bitteschön ist Deutschland noch Deutschland?  Das Land, welches in unseren romantischen Erinnerungen von dunklen Wäldern, murmelnden Bächen, scheuen Rehen und sonendurchfluteten Lichtungen belebt wird. Was ist mit Phuket, Mallorca, Ibiza und Agadir? Die ganze Welt ist doch nun unser Heim. „Man muss in die Fremde gehen, um die Heimat, die man verlassen hat, zu finden“, hat Kafka gesagt. Oberflächlich gesehen ist Heimat eine Straße, ein Ort, eine Gegend, ein Land. Heimat ist da, wo man aufgewachsen ist, wo man heute lebt. Dort wo eben alles vertraut ist. Blutwurst und Leberkäs. Labskaus. Kölscher Frohsinn, westfälische Sturheit, bayerisches Granteln, Münchner Biergarten und Frankfurter Schule. In „Heimat“ tummeln sich sinnliche Erfahrungen, kulturelle Vorlieben, individuelle Geschichten, regionale Mentalität und intellektuelle Einsicht. Dass es Heimat gibt, darin kann man sich ja einig sein. Doch sobald wir das Ding unter die Lupe nehmen, wird das Bild ungenau, verschwimmt und wird manchmal einfach typisch Deutsch. „Heimat, das ist der Ort, wo sich der Blick von selbst nässt, wo das Gemüt zu brüten beginnt, wo Sprache durch ungenaues Gefühl ersetzt werden darf“, darf der Romanheld in Siegfried Lenz’ “Heimatmuseum“ behaupten.

Bis vor 200 Jahren waren die meisten Menschen noch an ihrem Geburtsort fest „verwurzelt“. „Das“ Heimat beschrieb den Besitz an Gut und Boden. „Das neue Heimat kostet ihn wohl 10.000 Gulden“, heißt es in den „Erlebnissen eines Schuldenbauers“ von 1854. Heimat wird weiblich und mit allerlei Gefühl beladen, als die europäischen Fundamente um 1800 ins wanken geraten, als die Gesellschaft mobil wird. Napoleon, Not und Armut „entwurzeln“ Millionen. Viele suchen ihr neues Glück in Übersee.

Seine sülzene Romantik, seine vielleicht typisch deutsche Geschichte machen die Verständigung über den Begriff „Heimat“ für uns heute so schwer. Doch auch das Heimweh nach vertrautem nimmt in letzter Zeit zu. Vielleicht weil derzeit ähnliches passiert wie vor 200 Jahren: Eine Erosion von Alltagswelten und Lebensformen durch die so genannte Globalisierung. Sie spielt uns eine neue Heimat vor mit Milliarden neuer Nachbarn im europäischen Zauberdorf.

„Das allen in die Kindheit scheint und worin noch niemand war: Heimat“, philosophiert Ernst Bloch schon 1958. Vielleicht ist es an der Zeit, den Ort zu finden, indem wir ihn selbst gestalten: Heimat.

Rhizom_01 // Heimat // Verantwortlich: Rüdiger Quass von Deyen // Redaktion: Buray Nazim Kök, Franziska Misselwitz, Julia Schulte, Kati Schneider, Katrin Hoppe, Heike Schmidt, Melanie Berger, Sabine Feldmayer, Sinah Chakoh, Verena Lennartz

Mit besonderem Dank an Frau Glanz, Papierfabrik Scheufelen GmbH, Klaus Schotte, Druckerei Schotte, Krefeld

Hier geht’s zum Magazin Rhizom_01 : http://issuu.com/quass/docs/rhizom_01

Rhizom_01: Produktion http://rhizom.tumblr.com/page/2#897265004

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