Rhizom_17

Thema der Ausgabe 17: Storytelling. Die Story: Einhundert Jahre Rhizom. Dieses Magazin hat sich nie an Designtheorien und gestalterischen Glaubenssätzen orientiert, dafür an interessanten visuellen Experimenten und vor allem am Mut der Autoren. Der Anspruch ist aktuell. Seit gefühlten 100 Jahren versucht Rhizom sich unbestechlich und provokativ, hoffentlich anregend und möglichst relevant mit ihren Leserinnen und Lesern über die Gegenwart des Design zu verständigen. Schon seit seiner Gründung widersetzt sich das Blatt dem grauen Einheitsblei der Konkurrenz. Rhizom berichtete über Heimat. «Jung, kreativ und unerfahren» erforschte die Redaktion Werte und ging den Widersprüchen des Glaubens nach. Ihr Zugriff unterschied sich von anderen Magazinen auch dadurch, dass sie den Dingen nicht in abstrakten Abhandlungen auf den Grund ging, sondern das Erzählerische, das Storytelling, die Anekdote, die handelnden Personen in den Vordergrund rückte. Man darf es bezeichnen als das, was es ist: ein «Boulevardblatt für Designer». Es trifft zu, wenn man unter Boulevard die Bemühung versteht, das Interesse der lesenden Gestalter immer wieder zu wecken, ohne sie durch Fehler und durch mangelnde Glaubwürdigkeit zu enttäuschen.

Was Rhizom neben handwerklicher Sorgfalt und sprachlicher Präzision am meisten auszeichnet: Sie misstraute dem Zeitgeist. Das Modisch-Gefällige liegt ihr fern. Wo alle einer Meinung sind, fällt sie durch Kontrapunkte und andere Sichtweisen auf. Das Widerständige, das ihr periodisch vorgeworfen wird, spielt sie in allen Ressorts aus. Man sah und las elegante Deutungen zu Villém Flusser oder Lucius Burckhardt. Selbst Katrin Pallowski wurde für den Designer interessant. Man stellt sofort fest: Es liegt endlich ein Magazin vor, das sich auch an Leute richtet, die ihre Hausaufgaben nicht gemacht hatten. Auf dem Höhepunkt einer Medien- und Printkrise, die sich im Gefolge der angeblichen digitalen Revolution in allen Zeitschriften ausbreitete, meldete sich die Redaktion in wunderbarer Abgeklärtheit mit der Ausgabe 13, dem «besten Magazin» aller Zeiten, zu Wort. Dem linken Designstudenten, der seine Informationen aus dem Slanted Typo-Anzeiger hatte, wurde Rhizom 15 zum Ärgernis, weil sich die Macher erdreisteten, zunächst «ästhetisch geil» und «jetzt auch mit Inhalt» zu erscheinen.

Medien haben die Aufgabe, auf möglichst unterhaltsame und interessante Weise das Gestaltungsspektrum zu erweitern. Zu viel Harmonie schadet nicht nur der visuellen Demokratie, sie beeinträchtigt die Qualität aller visuellen Entscheidungen.

Aus Anlass dieses imaginären Jubiläums schliesst Rhizom mit einem grossen Dank: zuallererst bei unseren Leserinnen und Lesern, die der Rhizom über alle Jahre hinweg die Treue gehalten haben und sich stets aufs Neue verführen und provozieren lassen. Für absichtslos gestifteten gestalterischen Unsinn entschuldigen wir uns in der Hoffnung, dass auch abwegige Ideen manchmal interessante Nebenwirkungen haben können. Wir bedanken uns bei unseren Kooperationspartnern und Sponsoren für das Vertrauen. Last, but not least bedanken wir uns bei allen Designerinnen und Designern, allen Autoren und Mitarbeitern, die durch ihr Engagement und ihr Herzblut, durch ihren Esprit und ihren Mut diesen Titel zu einem Klassiker gemacht haben. Wir werden alles daransetzen, dieser grossen Tradition auch in den nächsten gefühlten 100 Jahren gerecht zu werden.

Redaktion
Johannes Breuer, Jonas Cleve, Kelly Dooling, Nadine Esche, Imke Höfker, Leon Rammert, Paula Schröder, Joshua Senger

Unterstützt von
Druck + Medien Mundschenk, Kropstädt

Rhizom 17 bei designmadeingermany

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